Die alten Super8 Filme haben sehr flache Farbprofile. Ende der 80er war es bei vielen TV-Produktionen aus dem fiktiven Bereich (Serien oder TV-Filme) üblich, sie noch analog auf Filme zu produzieren und erst mittels "Abtaster" zu senden. Dann kamen die ersten TV-Serien aus dem Ausland, die direkt elektronisch (damals natürlich analog) produziert wurden, was natürlich günstiger war. Es waren oft einfach Produktion wie z.B. die aufkommenden Sitcoms. Und das wirkte auch "billig", obwohl die Farben etwas kräftiger war und die ganzen Aufnahme räumlicher wirkten.

Vielleicht sind es die fehlenden Bildinhalte (weniger Farben, geringere Auflösung usw.), die gerade bei uns Älteren diese Authentizität bewirken. Es wäre mal interessant zu erfahren, wie das Jugendliche sehen, die mit der früher schlechteren Qualität ja gar nicht aufgewachsen sind.

Gruß Holger

@bautz Herzlich Willkommen bei den Technikfans!

Das ist eine sehr interessante und berechtigte  Frage. Ich glaube, dass ist an erster Stelle von der Hauptzielgruppe abhängig, die sich mit diesen Inhalten identifizieren kann. Weil diese Gruppe diese Inhalte so kennt und dafür auch Verständnis und bestimmtes Retro-Feeling bekommt. Also auch ein wenig Nostalgie dazu. Ich glaube, zukünftig nach 1-2 Generationen wird es für die Produzenten schwieriger werden, solche Inhalte glaubwürdig zu produzieren und da werden andere Mittel eingesetzt werden. Man kann ja aktuell einfach in egal welcher Qualität filmen - solche Gefühle kommen nicht rüber. Deswegen versucht man mit den anderen Tricks wie Zittern, Wackeln, Schwenks, sehr schnellen Schnitten die Spannung zu erzeugen. Aber auch das wird irgendwann vorbei werden, wenn egal was bei jedem von Anfang an stabilisiert, angepasst, gefiltert und bestens aufgelöst berechnet wird. Und das sogar in keine Ahnung wieviel K und sogar mir VR, AR und MR

@holger_p Solange die Unschärfe, Verwackelungen und geringe Auflösung den abgebildeten Gegenstand nicht ganz verschleiern, haben diese Aufnahmen, wenn ich an meine Experimente mit Kindern und Jugendlichen denke, durchaus ihren Reiz auf sie. Allerdings werde solche Aufnahmen sehr schnell als "unprofessionell" bezeichnet, dh die formale Form der Darstellung wird da noch in keine konkreten Bezüge zur Authentizität gestellt. Die Beurteilung geht eher in die Richtung: ich sehe etwas, das ich nicht verstehen kann, aber das hätte ja auch besser aufgenommen werden können - also relativ unvoreingenommen und verglichen mit der Technik (Handy), die heute für TikTok u.a. eingesetzt wird. Unter Umständen werden Verwacklungen der Handkamera (die der ERfahrungswelt im Umgang mit der Handykamera verstanden sind) toleriert. Aber Auflösungs- oder Fokusunschärfen werden als "mangelhaft" erkannt.

@dim Da sprichst Du etwas an, das ja auch schon bei holger_p angeklungen ist, die "Zielgruppe". Wenn ich meine Antwort auf holger_p hinzuziehe, scheint mir, daß die Wahrnehmung von Inhalten durchaus etwas mit der "wahrnehmung" des Mediums ("the medium is the message") zu tun zu haben, und zwar mit der Mediensozialisation. So verstehe ich auch, was Du meinst, daß "schnelle Schnitte", VR, 360 Grad etc nur "Entwicklungsstufen" sind, die von unterschiedlichen Gernerationen unterschiedlich durchlaufen werden und damit im Wahrnehmungsrepertoire einen auf jede Generation unterschiedlichen Eindruck macht. Ist die Nachkriegsgeneration wenn überhaupt, dann mit super8 als verwackeltem und stummen Familienchronikformat aufgewachsen, so verbindet sich Super8 mit dem als real empfundenen Lebensgefühl einer vergangenen Epoche; so wie das vielleicht auch heutigen Jugendlichen mit entsprechend formalen Mitteln der Filmgestaltung gehen wird. 

Und vielleicht ist es ja dann auch nur diese mit Super8 aufgewachsene Generation, die dem Medium die Erzeugung der Erinnerung einer historischen Epoche zuschreibt. Dh sieht diese Generation Super8 (auch wenn die Aufnahmen von heute stammen), schalten sich sofort - wie bewusst oder unbewusst auch immer - Erinnerungen und Erfahrungen ein, die diese medial bedingte Ästhetik eben als zeithistorisch authentisch wahrnimmt. Unsere Großeltern hatten sicherlich ähnliche Erfahrungen mit s/w Stummfilm-Ästhetiken, die uns als jüngerer Generation mittlerweile völlig fehlt.

Daß sich die Super8 Ästhetik (Körnung, Farbspektrum, Farbprofil, ferner digitale Kratzer und Fussel) mittlerweile digital simulieren lässt und damit als rein formales "Stilmittel" - so wie es eben gefällt - eingesetzt wird, reflektiert die zeithistorische Herleitung wahrscheinlich eher weniger. Daher ist das Stilmittel Super8 denn auch mehr und mehr von seiner zeithistorischen Zuschreibung befreit. Und damit mehr und mehr auch von dem Anspruch der Authentizität.

Unabhängig davon sind aber sicherlich Stilelemente wie Verwackler, verursacht durch die Handkameraführung. Denn das scheint nach wie vor ein - bewusst unbewusstes - Stilmittel zu sein, das auch heute noch mindestens für Schnelligkeit im Zugriff flüchtiger Momente steht und damit auch eine wie auch immer empfundene Authentizität (des Moments) zu garantieren scheint. 

@bautz Ich merke schon, dass Deine Antworte hochprofessionell sind und du dich mit dem Thema auskennst. Wir freuen uns auf jeden neuen Nutzer, so lange dieser sich an die Regeln hält ... ABER wir halten uns an die Gesetze. Deine Werbung und die Torrent-Links werde ich sofort ausschalten. Die Signatur ist hier für die anderen Sachen gedacht.  Im wiederholten Fall wird Dein Konto wie auch nachträgliche Registrierungen bzw. Anmeldungen umgehend gesperrt.